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Kastration – Persönliches zu einem viel diskutierten Thema

Unser Wolfhund Akando schläft gerade im Schatten unserer Birke im Garten seinen “Narkoserausch” aus, während ich diesen Beitrag schreibe.

Wir haben uns, etwas schweren Herzens, dazu entschlossen, ihn kastrieren zu lassen. Und heute war der Tag.

Aber von Anfang an:

Begriffsdefinition

Unter Kastration versteht man die Entfernung der Keimdrüsen bei Rüde oder Hündin. Beim Rüden werden dabei beide Hoden operativ entfernt, bei der Hündin meist Gebärmutter und Eierstöcke. Im Gegensatz zur “Sterilisation” bedingt eine Kastration Veränderungen im Hormonhaushalt und so neben der Ausschaltung der Fruchtbarkeit (die auch bei der Sterilisation gegeben ist) auch ein verändertes Verhalten. Ein solcher Eingriff beim Hund sollte – abgesehen von medizinischen Gründen – gut überlegt sein.

Gründe für eine Kastration

Ein Entscheidungsgrund für Hundebesitzer ist oft das Verhindern von unerwünschtem Nachwuchs bei der gleichzeitigen Haltung von Rüde und Hündin. Hierfür wäre jedoch auch eine Sterilisation ausreichend und für das Tier mit weniger einschneidenden “Nebenwirkungen” verbunden.

Ein weiterer Grund ist die Angst vor Erkrankungen der bei einer Kastration zu entfernenden Organe, sodass prophylaktisch entfernt wird, was vielleicht einmal erkranken könnte. Nachdem eine Kastration aber Auswirkungen auf den gesamten Organismus des Hundes hat, entstehen dadurch andere Krankheitsneigungen, die diesen Vorteil aus meiner Sicht aufheben.

Die Läufigkeit einer Hündin wird gelegentlich als lästig empfunden, ist sie doch mit gewissen Einschränkungen und Unannehmlichkeiten verbunden.

Einer der vielleicht häufigsten Gründe für eine Kastration, speziell bei Rüden, ist jedoch die Hoffnung der Hundebesitzer auf ein verändertes (Sozial-)Verhalten.

Dr. Sita Meinzer aus Moosburg, praktische Tierärztin und Fachtierärztin für Verhalten, die heute auch das Vergnügen mit unserem Akando hatte, schreibt dazu:

“In vielen Fällen sollen Rüden aber kastriert werden, um unerwünschtes, geschlechtsgebundenes, oft aggressives Verhalten zu beeinflussen……

Und weiter…

“So hat die Kastration keinerlei Effekt auf die Aggressivität in Zusammenhang mit Futter, aufgrund von Angst oder schlechten Erfahrungen. Konflikte und Beißereien mit männlichen Artgenossen dagegen lassen sich durch eine Kastration mehr oder weniger verhindern, wenn noch keine Lernkomponente dabei ist. Grundsätzlich gilt, dass der Effekt der Kastration auf das Verhalten umso geringer ist, je später die Operation erfolgt. Gute Erziehung oder sogar eine gezielte, verhaltenstherapeutische Therapie kann und soll eine Kastration aber nicht ersetzen.”

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Ich bin kein glühender Befürworter von pauschaler Kastration. Und trotzdem waren bisher (fast) alle meine Hunde kastriert. Wie kam es dazu?

Meine Hunde

Carlo, seines Zeichens Großer Schweizer Sennenhundrüde, unser allererster Hund war Deckrüde im SSV, bis der Tierarzt irgendwann feststellte, dass seine Prostata stark vergrößert war. Er riet uns deshalb damals zur Kastration, wir haben zugestimmt.

Unser Dauer-Vollzeit-Pflegehund Aaron, ein Viszla-Dobermann-Mixrüde durfte intakt bleiben, bis er zu seinen Besitzern zurückging.

Die Akbashhündin Civa, im Welpenalter bei uns eingezogen, wurde im Alter von 4 Jahren kastriert, weil sie im Tschechoslowakischen Wolfhundrüden Chili einen potenten Partner bekam und wir natürlich Nachwuchs aus so einer “explosiven” Mischung verhindern wollten. Zudem plante ich, Chili dereinst als Deckrüden einzusetzen.

Aus diesem Plan wurde nichts. Chili zog im Alter von 16 Wochen bei uns ein und war ein unsicherer Hund, der zu Angstaggression neigte. Damals reagierte ich auf solches Verhalten rückblickend leider komplett falsch, sodass wir, als er 3 Jahre alt war, dann auch ein ernsthaftes Problem bekamen:

Eine sehr schmerzhafte Pfotenverletzung hatte sich zu einem dicken Abszess ausgewachsen, Verbände mussten gewechselt und die Wunde kontrolliert werden. Irgendwann ließ er uns nicht mehr heran, weil ich seinem Drohen mit Strafe begegnete. Die schließlich aus Verzweiflung hinzugezogene Fachtierärztin für Verhalten der LMU in München, Dr. Angela Bartels, riet uns, als Desensibilisierung und Gegenkonditionierung nicht zu den gewünschten Ergebnissen führten, zusätzlich zu einer Kastration. Wir waren skeptisch, hatte ich doch mittlerweile im – sehr empfehlenswerten – Buch von Sophie Strodtbeck und Udo Gansloßer “Kastration und Verhalten beim Hund” gelesen, dass gerade angstmotivierte Aggression durch Kastration des Rüden oft sogar verschlimmert wird. So starteten wir mittels eines Suprelorin-Implantats (Artikel dazu von Tiearzt Dr.Rückert) einen “Testlauf”. Für mich überraschenderweise verlief dieser durchweg postitiv und so war auch Chili bald kein “richtiger” Rüde mehr.

Und unser Akando, der gerade immer noch im Garten unter dem Baum schlummert?

Nun, er ist als “high content wolfdog” wie auch ein Wolf starken hormonellen Schwankungen ausgeliefert,

die an die Jahreszeiten gekoppelt sind. In den Wintermonaten, während der Ranz, vergrössern sich die Hoden und die Produktion von Sexualhormonen erklimmt ungeahnte Höhen, was sich im Verhalten zumindest bei unserem Exemplar überaus deutlich manifestierte. So deutlich, dass Akando nach einem Ernstkampf mit seinem früheren Kumpel Chili diesen nicht mehr akzeptierte. Und Chili stets angstaggressiv auf Akando reagierte, sobald er ihn nur roch. Nach einer Weile strikter Trennung der Rüden und der Implantation eines Hormonchips bei Akando beschlossen wir im zeitigen Frühjahr, nochmals einen Versuch der Zusammenführung der Jungs zu unternehmen. Tatsächlich führte das Implantat zu einer deutlich gesteigerten Friedlichkeit und Akzeptanz gegenüber Chili, der daraufhin gaaaanz laaangsam auch etwas gelassener wurde, wenn Akando in sein Blickfeld kam.

Vor einiger Zeit nun schien der Hormonchip langsam seine Wirkung zu verlieren. Akando fraß schlecht, war nervös, sehr leicht erregbar und begann wieder, Chili zu drohen und zu imponieren.

Im Gespräch mit Dr. Sita Meinzer klärten wir nochmals Chancen und Risiken einer operativen Kastration von Akando.

Tja und nun liegt er “unten ohne” im Garten und erholt sich.

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Und wir hoffen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben und ihm und uns damit ein weiteres, möglichst reibungsloses und angenehmes Zusammenleben zu ermöglichen.

Drücke uns die Daumen dafür!

 

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